Der Sammeltrick des einstigen Konsumverein-Direktors von 1940
macht Schlagzeilen: Der Ersttagsbrief von Henry Fauchèrre an seine
Murtener Ferienadresse dürfte heute Tausende Franken wert sein, weil er
einzigartig ist. Am Dienstag, 3. Mai 2022 kommt er unter den Hammer.
Seltene
Schweizer Ersttagsbriefe aus der Periode zwischen 1912 und 1947 können
heute viel mehr wert sein als ihre damalige Frankatur. Ersttagsbriefe
sind Sendungen, die genau am ersten Verkaufstag einer Briefmarke
abgestempelt und verschickt werden. So weit, so unspektakulär – indes:
Die Kombination von Briefmarke, Brief und Geschichte darum herum macht
es aus. Das wusste Henry Fauchèrre als begnadeter und international
bekannter Sammler. Der Direktor des einstigen Konsum-Vereins (heute
Coop) nutzte dieses «Insiderwissen» oder einfach sein gutes Gespür und
gab am 16. Juli 1940 einen Ersttagsbrief auf der Post in Murten auf.
Notabene schickte er sich den Brief selber an jenen Ort, wo er damals
Ferien verbrachte: im Hotel Kreuz in Murten.
Hohe Wertsteigerung
Damals
hatte dieser Brief nur für den Briefmarkensammler Fauchèrre einen
emotionalen Wert, aber dieser ahnte die Wertsteigerung und bekam Recht,
denn: Heute sind die entsprechenden Marken aus dem sogenannten
Bundesfeier-Block von 1940 praktisch nicht zu finden. Aber dieses Stück
ist laut Marianne Rapp Ohmann, Inhaberin des Auktionshauses Rapp in Wil
(SG, Schweiz), ein gutes Beispiel dafür, wie heute bestens erhaltene
Ersttagsbriefe in der Sammelwelt nicht nur an emotionalem, sondern auch
an monetärem Wert extrem stark zugelegt haben: Der «Murten-Brief» von
Henry Fauchèrre wurde von ihm und seiner Familie fachgerecht aufbewahrt
und ist in höchster Qualität erhalten geblieben. Rapp Ohmann rechnet
deshalb damit, dass der «Murten-Brief» für mehrere tausend Franken
versteigert werden dürfte. Der Startpreis liege bei 4000 Franken. Das
Interesse sei bereits im Vorfeld sehr gross. Auktionator Peter Rapp wagt
sogar einen Vergleich: «Solche Ersttagsbriefe sind grösste
Seltenheiten, oft viel seltener als ‹Basler Tauben›.»
Sachwerte mit Investitionscharakter
Ausserdem
kommen Anfang Mai weitere teure Ersttagsbriefe und Briefmarken aus
aller Welt unter den Hammer. Sie haben für versierte Sammelnde nicht nur
Sammelwert, sondern auch Investitionscharakter. Gerade in
geopolitischen unsicheren Zeiten, so Rapp Ohmann, stelle sie fest, dass
Investorinnen und Investoren vermehrt nach alternativen Sachwerten
Ausschau halten: «Top-Briefmarken oder Briefe in bester Erhaltung sind
eine langfristige Wertanlage und haben in den letzten Jahrzehnten
exorbitante Wertsteigerungen erlebt.» Alles was rar sei, werde auch an
der Auktion hohe Preise erzielen, und es wundere sie deshalb nicht,
«dass noch nie zuvor Ersttagsbriefe in dieser Konzentration und Qualität
an einer Auktion zu ersteigern waren».
Einige Millionen Gesamtwert
Die
Auktionatorin gibt zu bedenken, dass viele Hobbysammlerinnen und
-sammler der Gegenwart nicht mit allem Sammelgut auf die
Gewinnrealisation ihres Lebens rechnen dürfen: «Ersttagsbriefe nach 1948
sind ein gutes Beispiel, warum philatelistische Stücke auch nicht
wertvoll sein können. Damals hat die Post nämlich angefangen,
Ersttagsbriefe im Abonnement zu verkaufen. Das bedeutet, dass sie nicht
selten und damit eigentliche Massenware sind, die heute nicht teuer
gehandelt werden.» Das gelte auch für postfrische Briefmarken der
letzten Jahrzehnte, die den Vorteil hätten, dass sie «immerhin noch für
die Frankatur verwenden werden können». Was im Auktionshaus Rapp Anfang
Mai versteigert wird, ist aber wertvoll: Rund 1200 Auktionslose mit
Briefmarken suchen vom 2. bis 4. Mai 2022 eine neue Besitzerschaft. Ihr
geschätzter Gesamtwert beläuft sich laut Rapp Ohmann auf einige
Millionen Franken.