Manchmal ein Schnäppchen – oft mit Wertsteigerung

Waren Auktionen früher vor allem Reichen und Alten vorbehalten, bieten heute
immer mehr Junge mit. Ihr Ziel: ein Luxusartikel zum Schnäppchenpreis.
Bericht von einer Live-Auktion.

Auf dem Parkplatz stehen reihenweise Luxuskarossen. Selten sieht man so viele Rolls-Royces, Bentleys, Mer cedes A-Klasse oder Audis A6 auf einem Haufen. Wie sich herausstellt, ist das Auktionshaus Rapp Besitzer eines fetten Rolls-Royces. Damit wird die betuchte Kundschaft aus aller Welt vom Zürcher Flughafen ins abgelegene Wil im Kanton St. Gallen kutschiert. Wie jener Sammler, der vor ein paar Jahren mal schnell für 300 000 Franken eine Briefmarke ersteigerte und am selben Tag wieder davonflog. Einmal im Jahr wird Wil zum Nabel der Welt. Dann strömen Menschen aus Nah und Fern, Jung und Alt, Reich und Arm in die 17 000-Einwohner-Stadt. «Gerade bei Jungen werden Auktionen immer beliebter», sagt Geschäftsführerin Marianne Rapp. «Es ist Ausdruck eines neuen Stilbewusstseins der
Millennials und der Generation Z (welche die Jahrgänge zwischen 1980 bis 2010 vertreten).» Sagts, und verschwindet in den unteren Stock des Gebäudes, wo die nächste Auktion stattfindet. Eine Schmuckauktion.

Schmuck, den es sonst nicht zu kaufen gibt
Das ganze Jahr über bereitet sich das Auktionshaus auf diese eine Woche im November vor. November, Dezember und Mai sind üblicherweise Auktionsmonate. Private und Händlerinnen werden angefragt, ob sie ihre Sammlungen oder auch nur Einzelstücke
versteigern wollen. Der Käufer zahlt für diesen Dienst. Auf den ersteigerten
Preis kommt ein Aufpreis von durchschnittlich 30 Prozent. Langsam beginnt sich der Auktionssaal zu füllen. Dieser ist völlig schmuck- und fensterlos, dafür flimmern zahlreiche
Bildschirme von den Wänden, welche die Gebote während der Auktion anzeigen.
Damen im teuren Deuxpièces mit frisch gestylter Fönfrisur nehmen auf den Stühlen Platz. Daneben ihre Ehemänner, stilgerecht im Doppelreiher. Der Altersdurchschnitt liegt jenseits der fünfzig. Vereinzelt nehmen aber auch Jüngere Platz. Zwei Frauen um die vierzig blättern aufgeregt im Ausstellungskatalog. Eine Frau um die dreissig setzt sich auf einen
Platz in der hintersten Reihe. «So habe ich alles im Überblick», sagt sie und stellt sich als Tatjana Merkli vor. «Ich liebe die Atmosphäre und den Nervenkitzel bei Auktionen.» Sie nehme zum zweiten Mal an einer Auktion teil. Nur hier bekomme sie Schmuck von grossen Marken, den es auf dem freien Markt nicht gebe, da er limitiert oder zu teuer sei.

Tatjana Merkli an der Auktion. Sie bietet für ein Cartier-Collier, wird jedoch bald überboten.

Das Adrenalin steigt
Tatjana Merkli an der Auktion. Sie bietet für ein Cartier-Collier, wird jedoch bald überboten.

Rolex gleich mitnehmen, statt auf die Warteliste gesetzt zu werden
«Junge mögen Vintage ebenso wie Secondhandschmuck von grossen Marken», ergänzt Marianne Rapp, die gerade einen Kunden in das hauseigene Bistro begleitet, um für ihn Champagner zu bestellen. Gerade Cartier, Van Cleef & Arpels oder Boucheron seien gesucht. Unter anderem, da High-End-Luxusmarken vielfach ihr Sortiment limitierten. So behalten die Schmuckstücke ihren Wert. Das Gleiche im Luxus uhrensegment. Wer eine neue Rolex tragen will, wird zuerst jahrelang auf eine Warteliste gesetzt. Im Auktionshaus kann, wer Glück hat, einen Luxusartikel zum Schnäppchenpreis ersteigern und diesen gleich mit nach Hause nehmen. «Schmuck – ebenso wie Münzen, Uhren oder Handtaschen – haben ein
Wertsteigerungspotenzial und einen emotionalen Zusatznutzen zugleich.» 2500 Gegenstände werden an den vier Tagen versteigert. Die Ausrufpreise bei zahlreichen Artikeln
fangen bei 400 bis 600 Franken an. Das ist relativ tief. So kann auch der   Durchschnittsschweizer mitbieten. Bei den bekannten Auktionshäusern
Christie’s und Sotheby’s liegen die Einstiegslimiten vielfach bei über 10 000 Franken.
Tatjana Merkli wird langsam nervös. «Ich habe mir ein Preislimit gesetzt und hoffe, dass nicht allzu viele mitbieten.» Sie hat im Katalog zwei Produkte entdeckt, die ihr Herz höherschlagen lassen: ein Collier und ein Armband von Cartier. Der Ausrufpreis des Colliers liegt bei 2500 bis 3000 Franken. «Wenn ich etwas kaufe, soll es nicht an Wert verlieren.» Bei diesem Schmuckstück sei sie überzeugt, dass es vermutlich an Wert zulegen werde. «Ich kann Risiken kalkulieren, da ich bei einer Versicherung arbeite», versichert sie.

Immer mehr Leute, die online ersteigern
Etwa fünfzig Leute sitzen mittlerweile im Saal. An den Computern in aller Welt sind es noch einmal so viele. 2000 Mitbieterinnen und Mitbieter haben sich für die vier Tage im Voraus online registriert, darunter viele Private, Sammlerinnen und Schnäppchenjäger. Und
dann gibt es noch jene, die am Telefon mitbieten. Der Auktionator, Peter Rapp, startet mit
dem ersten Schmuckstück. Im blütenweissen Hemd und mit Krawatte ist der 78-jährige
Gründer des Auktionshauses die Souveränität in Person. In den 1970er-Jahren
hatte er mit Briefmarken Auktionen begonnen und rasch grossen Erfolg damit erzielt.
Er schaffte es gar ins Guinness-Buch der Rekorde, als er 1980 den weltweit höchsten Umsatz mit 33 Millionen für eine Briefmarkenauktion erzielte. Auch seine Tochter Marianne hat eine gute Hand fürs Geschäft. Sie erweiterte vor wenigen Jahren das Auktionssortiment um Münzen, Schmuck, Handtaschen und neuerdings auch um Wein. Nun ist Los Nummer 4003 an der Reihe: das Collier, das Tatjana Merkli ersteigern will. Ein Foto des Schmuckstücks erscheint auf den Monitoren. Unaufgeregt blickt Peter Rapp in den Saal. Hebt jemand
das Schild zum Mitbieten? Gleichzeitig achtet er auf die Online- und Telefonangebote.
Ein Piepton bedeutet, jemand hat online das aktuelle Gebot überboten. Tatjana Merkli hält ihre Nummer hoch: 3000 Franken. Es klingelt. Ein Telefonbieter überbietet sie. Es piepst erneut. Diesmal am Monitor. Einmal, zweimal, der Piepton hört gar nicht mehr auf. Die OnlineBieterinnen und -Bieter haben den Preis auf 8000 Franken katapultiert.

Zwar secondhand, aber das sieht niemand
Tatjana Merkli beisst sich auf die Lippen. Sie hält erneut ihr Schild hoch: 8300 Franken. Jetzt habe sie ihr Budget überschritten, raunt sie rüber. Stille. Ganze drei Sekunden lang. Es
scheint, als wäre den anderen die Luft ausgegangen. Dann piepst es erneut. Und
wieder und wieder. Die Online-Bietenden haben einen neuen Anlauf genommen.
Tatjana Merkli gibt auf. Zehn Sekunden später ist das aktuelle Gebot bei 12 000 Franken.
Verkauft. Nächstes Schmuckstück. Merkli zuckt enttäuscht mit den Schultern. «Diesmal hatte ich Pech», sagt sie. Ihr Glück habe sie wohl letztes Jahr aufgebraucht, als sie die Rolex,
die sie am Handgelenk trägt, ersteigern konnte. Zu einem guten Preis, wie sie schmunzelnd hinzufügt. Sie sei zwar secondhand, aber das sehe ja niemand. Nicht alles interessiert
an diesem Tag. Jedes dritte Schmuckstück findet keinen Käufer und keine Käuferin.
Wie das Tahiti-Perlen-Set für 2000 Franken. Richtig Stimmung im Saal kommt selten auf. «Die vielen, die online bieten, machen die Stimmung im Saal kaputt», gibt Marianne
Rapp zu. Und Emotion gehöre nun mal dazu. Das sei gut fürs Geschäft. Geht es auf
einmal nur mehr um Sieg oder Niederlage, erzielen Gegenstände Höchstpreise, mit
denen niemand gerechnet hat. Nur einmal kommt richtig Stimmung auf – bei der Versteigerung der historischen St. Moritzer Olympiafahne von 1948. Sie war zu einem Verkaufspreis von 5000 Franken ausgeschrieben.

 

Marianne Rapp Ohmann und Peter Rapp am Auktionspult

Marianne und Peter Rapp
Peter Rapp (78) erzielte mit seinen Briefmarkenauktionen in den 1980er-Jahren Rekorde.
Tochter Marianne erweiterte das Auktionssortiment.

Olympia-Fahne erzielt Rekordpreis 
Sporterinnerungsstücke liegen zwar im Trend, sie sind geschichtsträchtig undhaben symbolischen Charakter, doch niemand hätte die Hand dafür ins Feuergelegt, den Ausrufungspreis überhaupt erzielen zu können.Doch es kam anders. In einem wahren Feuergefecht boten die Interessierten denPreis hoch. Verkauft wurde die Fahne schliesslich für 20 000 Franken. Aber dasteuerste Objekt an diesem Tag war ein anderes, eine Rolex Daytona. Der Startpreis für die Stahluhr aus den 1960er-Jahren lag bei 8000 Franken. Innert zwei Minuten stand der Verkaufspreis bei 77 500 Franken. Der Käufer im Saal war zufrieden. Er stand auf, zahltemit Kreditkarte, liess sich die Uhr aus der Vitrine geben und verschwand. Glücklich, wie es schien.

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