Ein Original-Gotthelf für 1125 Franken

Lützelflüh/Wil: Am Dienstagnachmittag wurde ein gut erhaltener Brief von Albert Bitzius alias Jeremias Gotthelf versteigert. Das Spektakel war kurz, aber intensiv.

In Genf wurde ein Ferrari von Formel-1-Legende Michael Schumacher für 14,6 Millionen Franken versteigert. Nicht schlecht. In New York gingen zwei Edelsteine, ein Rubin und ein Diamant, unlängst für 34,8 Millionen Dollar weg. Krass. Doch auch das sind Schnäppchen verglichen mit dem Gemälde «Salvator mundi» von Leonardo da Vinci, das der saudi-arabische Kronprinz ersteigerte – für 450 Millionen Dollar. Um etwas weniger astronomische Summen geht es im Auktionshaus Rapp in Wil/SG. Hier werden in diesen Tagen gegen 3000 Sammler- und Luxusstücke versteigert, von Briefmarken über Schmuck bis zu Wein. Am Dienstagnachmittag kam auch ein Brief unter den Hammer. Gut erhalten zwar, aber alles in allem doch ziemlich unscheinbar. Wäre da nicht der Absender: Albert Bitzius, besser bekannt als Jeremias Gotthelf.

Angriffiger Schreiber
Bitzius war nicht nur Pfarrer von Lützelflüh und Schriftsteller, sondern auch Schulkommissär für die Gemeinden Lützelflüh, Rüegsau, Hasle und Oberburg. In dieser Funktion schrieb er am «11. Mertz 1836» besagten Brief an Ludwig Fromm, Regierungsstatthalter des Amtes Burgdorf. Schon im ersten Satz kommt Bitzius direkt zur Sache: «An einem letzthin von Oberburg mir eingegangenen Bericht entnahm ich, dass für die Reparatur des Schulhauses von Oberburg keine Schritte geschehen, sondern dass man mit Gezänk und Neben­sachen die gute Zeit versäumt.»

Auf den folgenden Zeilen führt Albert Bitzius aus, in einem Schulhaus pferche man «über 70 Kinder in ein Local, das kaum 40 fasst». Eine «elende Stube» sei das. Bitzius machte sich Sorgen um die Kinder. Und er nutzte die Gelegenheit auch gleich, einen Familienvater anzuzeigen, der seine Kinder nicht zur Schule schicke. Dies sei «der Schulcomision von Oberburg bekannt, ohne dass der strafbare Hausvater zur Verantwortung gezogen worden wäre».

Angespannte Stimmung
Bitzius wählte im Brief deutliche Worte. Und seine Handschrift ist für heutige Augen zwar schwer lesbar, aber wunderschön. «Der Brief ist ein Zeitzeuge, der seinesgleichen sucht», so Marianne Rapp Ohmann, Inhaberin des Auktionshauses Rapp. Bereits im Vorfeld hatte sie auch Gebote aus Übersee erhalten. Deshalb war für sie klar: Der Brief wird mehr als die 300 bis 500 Franken erzielen, die im Katalog angegeben waren. Allenfalls sei sogar das Zehnfache möglich.

Bei der Versteigerung, an der man sowohl im Saal in Wil wie auch via Internet mitbieten konnte, wurde das Startgebot von 500 Franken denn auch bald erhöht. 550, 600, 650 zum Ersten, 700, 750, 800 zum Ersten, 850, 900 zum Ersten, zum Zweiten und – zum Dritten. Nach weniger als einer Minute war das Spektakel bereits vorbei. Zum Zuschlagpreis kommt, wie in der Auktionsbranche üblich, noch ein Aufpreis von 25 Prozent. Macht unter dem Strich 1125 Franken, welche der Käufer oder die Käuferin zahlt.

Anonyme Käuferschaft
Wer ist die Käuferin oder der Käufer? Die Kommunikationsabteilung des Auktionshauses nahm nach dem Zuschlag mit der Person Kontakt auf. Doch diese liess ausrichten, sie wolle anonym bleiben. «Tut mir leid, aber da kann man nichts machen.» Auch der Verkäufer des Gotthelf-Briefes möchte sich nicht zu erkennen geben. Immerhin konnte die Kommunikationsabteilung im Vorfeld aber ein paar Einzelheiten verraten. Der Verkäufer sei ein leidenschaftlicher Briefmarkensammler aus dem Grossraum Zürich. Er besitze den Brief schon lange und wisse gar nicht mehr, wann und wo genau er ihn gekauft habe. Erinnern kann er sich nur noch daran, dass er den Brief ausnehmend schön und den Inhalt spannend gefunden habe. Wie viel er damals bezahlt hat? Auch daran kann sich der Mann, man hat es vermutet, nicht mehr erinnern.

16.11.2023 :: Markus Zahno (maz)
187 Jahre alt: Der Brief von Albert Bitzius an Statthalter Fromm. / Bild: zvg

 

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